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Bleizucker verhindern oder behandeln

Bleizucker - Bleifraß - Bleikorrosion! Was ist das eigentlich? Und was macht man dagegen?

Was ist Bleikorrosion?

Frisch gegossenes oder gehobeltes Blei bleibt nur kurze Zeit an der Oberfläche silbrig glänzend. Es reagiert mit dem Sauerstoff in der Luft zu Bleioxid oder mit anderen Elementen zu Bleihydroxid, Bleicarbonat oder Bleisulfat. Diese Verbindungen schützen im besten Falle das darunter liegende Blei vor einer weiteren Korrosion.
Im schlechten Falle und der Reaktion von Bleioxid mit Säuren, häufig Essigsäure, entsteht Bleiacetat. Dieses ist auch bekannt als Bleizucker, da es süßlich schmeckt und früher trotz seiner Giftigkeit zum Süßen verwendet wurde. In der weiteren Reaktion und mit dem Kohlenstoff in der Luft entsteht Bleihydroxycarbonat, auch als Bleiweiß in der Malerei bekannt. Dabei wird wieder Essigsäure frei wird, die diesen Prozess am Laufen hält.
Diese Prozesse benötigen neben den reaktiven Verbindungen auch eine hohe Luftfeuchte. Diese reicht jedoch für wenige Tage im Jahr aus, wodurch die Korrosion in Zyklen abläuft.

Wie gefährlich ist Bleikorrosion?

Blei als Schwermetall und alle seine Verbindungen sind für den menschlichen Körper giftig. Man sollte es nicht mit Nahrungsmitteln in Verbindung bringen oder Bleipfeifen direkt mit dem Mund anblasen. Lange wurde vermutet, dass auch Beethoven  an einer Bleivergiftung starb, da es damals üblich war, bitteren Wein mit Bleizucker zu süßen. Aber genauso wie das inzwischen widerlegt es, geht auch von einer Orgel, in der Blei enthalten ist, bei normaler Nutzung keine Gefahr für den Menschen aus. Bei der Entfernung von Bleizucker und anderen Verbindungen sollte man jedoch besondere Schutzvorkehrungen treffen.

Wo tritt Bleikorrosion an Orgeln auf?

Die meisten Probleme verursacht Bleikorrosion an den Köpfen und Stiefeln von Zungenregistern, an Kondukten und an Bleipulpeten in Windladen. Häufig auch betroffen sind Pfeifen aus reinem Blei oder sehr hoch legiertem Blei. Diese findet man häufiger in norddeutschen Orgeln. In der süddeutschen Orgelbautradition wurden seltener reine Bleipfeifen gebaut und meist eine Legierung aus Zinn und Blei, die für Bleikorrosion nicht anfällig ist.

Welche Probleme gehen davon für Orgeln aus?

Erste Probleme treten üblicherweise auf, wenn etwas klemmt. Durch die Entstehung von Bleizucker vergrößert sich das Volumen. Bei den Köpfen von Zungen wird die Stimmkrücke eingeklemmt und diese Töne lassen sich nur noch schwer stimmen.
Schreitet es weiter voran, klemmt der Kopf auch im Stiefel fest und lässt sich nicht mehr zerlegen. Bei Bleipulpeten bleiben diese am Abzugsdraht hängen, rutschen mit hoch und es bläst aus der Windlade. Im weiteren Verlauf wird das gesamte Material spröde und zerfällt.
Betroffene Bleirohre und Bleikondukten, aber auch Pfeifenteile werden löchrig oder brechen ab. Kleine Brösel werden durch den Orgelwind mitgenommen und bleiben in Pneumatikteilen oder auch mal gerne unter einem Zungenblatt hängen. Töne fallen aus oder „heulen“ dauerhaft.

Wie erkennt man Bleikorrosion?

Reines Blei, wie auch Legierungen mit hohem Bleianteil sind nach dem Gießen oder Hobeln silbrig glänzend und werden mit der Zeit matt grau. Die Korrosion beginnt an der Oberfläche mit der Bildung von hellgrauen Krusten. Später wandelt sich das ursprünglich weiche Blei in ein sprödes weißes kristallines Material um, wodurch sich sein Volumen vergrößert. Dadurch „blüht“ es auf oder zerfällt in weiße Kristalle oder Pulver.

Wodurch entsteht Bleikorrosion?

Säure (Schwefelsäure), CO2 und Feuchtigkeit

Warum sind neue Orgelteile häufiger betroffen als dies bei alten Orgeln vorkommt?

Hierfür werden unterschiedliche Erklärungsversuche angeführt und in den meisten Fällen ist es eine ungünstige Kombination mehrerer Faktoren:

1. Orgelteile aus Blei im 17. und 18. Jahrhundert waren nie aus reinem Blei. Durch Verunreinigungen waren immer Spuren anderer Metalle wie Kupfer, Zinn, Silber, Antimon, etc. vorhanden, die die Bleipfeifen stabiler, aber auch resistenter gegen Bleikorrosion gemacht haben. Bekannt ist, dass sich Blei aus manchen Regionen besser für den Orgelbau eignete als andere, ohne dass man damals die genaue Zusammensetzung kannte. Erst mit der industriellen Herstellung von Blei kam dieses in seiner reinen Form im Orgelbau zum Einsatz. Heute können Legierungsbestandteile bis zu einem Bruchteil eines Prozents genau bestimmt werden und so auch Legierungen für Rekonstruktionen von Pfeifen hergestellt werden.

2. In früheren Jahrhunderten war der Anteil an Schwefel in der Luft in viele Regionen deutlich höher, die Luftverschmutzungen war einfach höher durch eine Vielzahl von Kohle- und Holzöfen. Diese Schwefelsäure in der Luft reagierte mit dem Blei in der Orgel zu einer Bleisulfat-Schicht, welche das darunter liegende Blei vor einer weiteren Korrosion schützte.

3. Kirchen wurden in früheren Zeiten mehr genutzt und Orgeln häufiger gespielt. Dadurch gab es eine regelmäßige Durchlüftung der Orgeln, wodurch die schädliche Säure immer wieder durch die Luft weggetragen wurde. Heute wird versucht, mit automatischer Lüftung von Kirchen und Orgeln einen positiven Effekt zu erzielen.

4. Die Gerbsäure oder Essigsäure aus dem Eichenholz wird als Hauptverursacher der Bleikorrosion ausgemacht. Eichenstämme wurden in früheren Jahrhunderten oft über weite Strecken geflößt oder waren vor der Verarbeitung über Jahre hinweg immer wieder mal Regen ausgesetzt. Beides soll die schädliche Säure aus dem Holz ausgewaschen haben.

Wie kann ein Befall konstruktiv verhindert werden?

Bei manchem Orgelteilen kann Blei einfach durch ein anderes Material ersetzt werden wie beispielsweise durch Edelstahl bei den Pulpeten oder den Anschlagleisten der Klaviaturen. Bei Labialpfeifen, Kondukten oder Zungennüssen reicht ein geringer Anteil (über 3%) Zinn in der Legierung, um die Korrosion dauerhaft zu verhindern. Bei Zungennüssen verwenden wir seit Anfang der 1990er Jahre einen 20% Zinnanteil mit 100% Erfolg. Das Gießen der Nüsse bzw. Köpfe ist etwas schwieriger als bei reinem Blei, jedoch sollte dieser Aufwand gerechtfertigt sein.
Kann man befallenes Material wieder reparieren?
Korrodiertes Blei kann nicht mehr „zurück verwandelt“ werden und ist für immer verloren. Die zerfallenen Teile einer Pfeife kann man nur durch Anlöten neuen Materials ersetzen. Bei Zungennüssen im Anfangsstadium der Korrosion kann man die kristalline Schicht entfernen und durch eine Behandlung kann eine Ausbreitung verhindert bzw. stark verzögert werden.

Wie kann man die Orgelteile aus Blei schützen?

Es gibt Versuche, das Blei durch eine Beschichtung des Holzes mit Kalk zu schützen, auch eine Passivierung der Bleioberfläche mit Schwefelsäure, wodurch eine schützende Schicht aus Bleisulfat entsteht. Bei der Restaurierung hat sich ein Verfahren bewährt, bei dem man nach dem Entfernen der Korrosionsschicht die Teile aus Blei in Lack taucht, wodurch sich eine Schutzschicht auf allen Oberflächen bildet.

Bleizucker bei neuen Orgeln verhindern...

Seit Jahrzehnten schon verhindern wir Bleizucker bei Orgelneubauten, indem wir bei Zungennüssen oder Fußspitzen, die sonst aus reinem Blei gefertigt werden, aus einer Zinnlegierung herstellen. Bei anderen Bauteilen können wir Blei durch andere Materialien, wie z. B. durch Edelstahl bei Pulpeten ersetzen.

Gibt es Bleizucker in Ihrer Orgel?

Gerne beraten wir Sie und finden dir richtige Lösung…