Limbach, St. Valentin, II/26 – Opus 398

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Die Orgel ergreift die Stimmung einer neuen Architektur

Limbach St. Valentin, Orgelneubau 2007

Als das Erzbischöfliche Bauamt die Planungen zum Wiederaufbau der 2003 abgebrannten Kirche St. Valentin aufnahm, wurde ich frühzeitig um eine Stellungnahme zum Standort der Orgel gebeten. Ergebnis einiger Gespräche mit Verantwortlichen aus der Pfarrgemeinde erweiterten dann diese Stellungnahme insoweit, dass sie nicht mehr nur vom Standort der Orgel, sondern vom Standort der Kirchenmusik überhaupt in St. Valentin handelte. So wurde die Idee von einem gemeinsamen Ort entwickelt, an dem unterschiedlichste musikalische Rollenträger für sich und miteinander wirken können. Diesen Ort krönt nun die neue Orgel.

Auf zwei Manualen und Pedal erklingen nun 23 Register, drei Vorabzüge erweitern die Möglichkeiten noch (die beiden Hauptwerkszungen lassen sich auch vom Pedal aus spielen, Larigot 1 1/3´ist der Mixtur entnommen). Das Hauptwerk stellt mit dem Principalchor (8´, 4´, 2´, 1 1/3´, Mixtur) das Rückgrat der Orgel, hinzu gesellen sich noch jeweils zwei Flöten als Begleitregister für das Schwellwerk und zwei Zungenstimmen, die Kraft und Gravität mitbringen. Das Schwellwerk ist durch solistische Farben geprägt: vom leisen Pianissimo „aus dem Himmel kommend“ (Vox coelestis) über mehrere Aliquotstimmen, die je nach Verwendung das Gesamtbild der Orgel immer wieder anders färben, bis hin zur Oboe, die das Werk abrundet. Das Pedal enthält die klassischen Begleitregister und die zwei aus dem Hauptwerk entlehnten Zungenstimmen Fagott und Trompete.

Eine Besonderheit sind die kurzbechrigen Horizontalzungen, von außen unter den Prospektpfeifen für alle sichtbar: Diese dem spanischen Orgelbau abgeschauten Register Valentinus und Orlos bereichern Pedal und Hauptwerk noch um zwei Klangfarben, die sonst erst bei deutlich größeren Orgeln anzutreffen sind. Auch optisch markieren diese Pfeifen gelungen den Übergang vom Untergehäuse, in dem die Technik untergebracht ist, zum Obergehäuse, das den klanglichen Teil birgt.

Godehard Weithoff, Bezirkskantor und Erzbischöflicher Orgelinspektor

Zur Gestaltung der neuen Orgel in St. Valentin:

Als frei stehende, bis fast an die Decke reichende Säule nimmt die neue Orgel einen herausragenden Platz innerhalb der weit geschwungenen Ellipse des Kirchenraums ein. Bei der künstlerischen Gestaltung des Orgelkörpers – in Zusammenarbeit mit dem Erzbischöflichen Bauamt Heidelberg und der Orgelmanufaktur Vleugels – kam es mir darauf an, einerseits den Charakter der Orgel als eigenständige „Orgelskulptur“ zu unterstreichen und dies noch zu verstärken, andererseits das fast monumentale Instrument durch Bezüge zur Architektur in das Ganze des Kirchenraums zu integrieren.

Im unteren Bereich des Gehäuses wurde der Raum unterhalb des vorspringenden Kranzes der Zungenpfeifen ausgenutzt, um eine Sockelzone zu bilden, die den darüber liegenden Teil optisch stützt und ergänzt, ohne dabei massiv zu wirken. Zu beiden Seiten des Spieltisches wurden verschieden breite Tafeln – gestaffelt in zwei Ebenen – in unterschiedlichen Abständen entlang der gewölbten Wände angeordnet. Diese schmalen weißen Tafeln, deren größte Breite den Fensternischen in der Außenwand entspricht, sind auf der Innenseite farbig bemalt und erzeugen auf den dahinter liegenden Flächen zartfarbig leuchtende Schatten, die sich seitlich ausdehnen. Zusammen mit den grauen Schatten und dem Weiß der Tafeln, mitunter auch mit Durchblicken zur Kirchenwand, bilden sie ein veränderliches Wechselspiel von Linien und Streifen, das sich um das untere Gehäuse der Orgel zieht. Ähnlich wie in einigen Fensternischen in der Reihe der Kreuzwegstationen Farbräume entstehen, die durch farbiges Glas angeregt werden, bilden sich an der Orgel die farbig leuchtenden Zwischenräume.

An der Vorderseite oberhalb des Spieltisches erstreckt sich bis zum oberen Ende der Orgel ein mehr als fünf Meter langes, metallisch glänzendes Wellenband. Hergestellt aus dem gleichen Material wie die Orgelpfeifen, stehen die flach geformten Wellen quer zu den aufrecht angeordneten Pfeifen und reflektieren in vielfältigster Weise das auftreffende Licht. Die Farben und Lichterscheinungen des Raumes werden umgewandelt zu einer aufsteigenden Folge horizontaler Reflexionen von unterschiedlicher Helligkeit. So entsteht in dem lang gestreckten Rechteck des Wellenbandes ein dynamisches Spektrum, dessen Linien und Streifen sich mit der Bewegung des Betrachters ständig verschieben und ineinander übergehen: vom verhaltenen Schimmern und farbigen Leuchten bis zum strahlenden Glanz. Das Zerfließen der Farben und Formen in weichen Übergängen im Wechsel mit hell abgegrenzten Lichtern erinnert an Phänomene des Hörens – nicht nur von Musik.

Aufwärts gerichtet setzt das Wellenband einen weiteren vertikalen Akzent im Raum der Kirche, wie schon die Orgel selbst und wie auch die beiden polierten Wandstreifen hinter dem Taufstein und der Marienfigur. Die gesamte Gestaltung macht die neue Orgel von Limbach nicht nur zu einem ungewöhnlichen musikalischen, sondern gewissermaßen auch zu einem großen optischen Instrument, das den Raum auf andere und unerwartete Weise sichtbar macht.

Gabriele Wilpers, Essen

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DISPOSITION

I. Manual – Hauptwerk C-a‘‘‘

  1. Principal 8‘
  2. Rohrflöte 8‘
  3. Octave 4‘
  4. Blockflöte 4‘
  5. Superoctave 2‘
  6. Larigot 1 1/3‘
  7. Mixtur 4-f. 1 1/3‘
  8. Fagott 16‘
  9. Trompete 8‘
10. Orlos 8‘

II. Manual – Schwellwerk C-a’’’

11. Bourdon 8‘
12. V. d. Gamba 8‘
13. Vox coelestis 8‘
14. Fugara 4‘
15. Traversflöte 4‘
16. Quintflöte 2 2/3‘
17. Waldflöte 2‘
18. Terzflöte 1 3/5’
19. Oboe 8’
Tremulant

Pedal C-f‘

20. Subbass 16‘
21. Octavbass 8‘
22. Gedecktbass 8‘
23. Choralbass 4‘
24. Fagottbass 16‘
25. Trompetbass 8‘
26. Valentinos 8‘

2 Pedalkoppeln als Tritt, Manual – Schiebekoppel
vorbereitet: Cymbelstern, Nachtigall
Ovaler Gehäusegrundriss, mechanische Trakturen
Stimmung: gleichstufig, a° = 440 Hz bei 15°C