Herrenbreitungen, Michaeliskirche, II/25 – Opus 449

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Im Heimatort von Johann Caspar Beck ist die zweimanualige Orgel noch erhalten.

Herrenbreitungen Michaeliskirche, Rekonstruktion der Orgel von Johann Caspar Beck 1734/35

Aus der Festschrift:

Mit dem Abschluss der Restaurierung im Jahr 2023 erklingt Ihre Johann-Caspar-Beck-Orgel nach rund 285 Jahren wieder wie am ersten Tag. Dies ist auch für eine Orgel eine lange Zeitspanne und würde die Orgel nicht nur klingen, sondern auch sprechen, so würde sie uns von einer sehr bewegten Geschichte berichten. Auch unsere Orgelmanufactur beschäftigt dieses Instrument seit gut 20 Jahren. Unsere erste Bestandsaufnahme datiert vom 02. April 2003.

Vorgefunden hatten wir damals Komponenten, die teilweise von einer großen handwerklichen wie auch künstlerischen Qualität waren. Leider war von der Originalsubstanz zuletzt nur noch ein Torso vorhanden, denn zahlreiche Eingriffe haben dem Instrument sehr geschadet, ja es teilweise verstümmelt. Als erste Maßnahme wurde dann von einem Orgelbauer-Kollegen der vorhandene Doppelfalten-Magazinbalg restauriert und die Windversorgung überarbeitet, um der Orgel die Luft zum Atmen zurückzugeben. In weiteren Etappen wurden wir damit beauftragt, die Rekonstruktion des Orgelwerkes anzugehen.

In gemeinsamer Anstrengung mit einer aktiven Kirchengemeinde, einem engagierten Orgelsachverständigen und in Abstimmung mit den Denkmalbehörden wurde ein Weg entwickelt, der das Instrument möglichst weit in seinen Erbauungszustand von 1738 zurückführt, jedoch auch für alltägliche musikalische Aufgaben spielbar macht. Bei der Ergründung des Originalzustandes gab uns das Instrument selbst die meisten Hinweise. Darüber hinaus war auch eine Abschrift des Orgelbauvertrages mit Johann-Caspar-Beck  sehr hilfreich. Bei Widersprüchen hielt man sich an das, was einem die Orgel selbst mitteilte. So war beispielsweise von der Oboe 8‘ leider nichts mehr vorhanden. Von Beck war sie zunächst im I. Manual vorgesehen, die Windlade zeigte uns jedoch eindeutige Spuren, dass sie im II. Manual stand. Anhand dieser vorhandenen Spuren konnten wir auch dieses Register wieder rekonstruieren.

Die Restaurierung begann 2019 mit einer Hylotox-Dekontaminierung der Holzpfeifen. Dann wurden die vollständig erhaltenen Windladen restauriert und das Spielfenster sowie die mechanischen Trakturen nach vorhandenen Teilen und Spuren rekonstruiert. Da dieser Bauabschnitt die Pfeifen noch nicht enthielt, wurden 2020 lediglich einige vorhandene Register wieder eingestellt, um die Orgel spielbar zu halten.

Im finalen Bauabschnitt 2023 durften wir originale Pfeifen restaurieren, die fehlenden Register oder Teile davon rekonstruieren und somit den ursprünglichen Zustand weitgehend wieder herstellen. Viele Pfeifen hatten im Laufe ihrer Geschichte unterschiedliche Standorte und Aufgaben in der Orgel. Anhand der Signaturen und logischen Zusammenhängen ist es uns gelungen, alle originalen Pfeifen wieder an ihren ursprünglichen Standort zurückzuführen. Fehlende Pfeifen wurden in originalgetreuem Material und historischer Machart nachgebaut. 

In beiden Bauabschnitten waren zahlreiche Konstruktionsdetails durch die originale Substanz vorgegeben (Gehäuse, Windladen, Pfeifenwerk, leergeräumtes Spielfenster). Fehlende Bereiche (Trakturelemente, Spielfenstergestaltung, Pfeifenwerk) mussten in Anlehnung an andere Beck-Orgeln rekonstruiert werden, wobei uns eine vergleichende Orgelfahrt an seine noch vorhandenen und ähnliche Instrumente in Stedtlingen, Rippershausen, Wallbach, Melkers, Schmalkalden hilfreich war.

Aus guten Gründen wich man bei der Rekonstruktion auch bewusst von den originalen Befunden ab. So wurde eine Rekonstruktion der originalen Keilbalganlage mit mechanischer Schöpfvorrichtung nicht ausgeführt. Man hatte den Doppelfalten-Magainbalg erst überholt und aus finanziellen und platztechnischen Gründen wurde dieser weiterverwendet. 

Beim Untersuchen der originalen Stimmtonhöhe an allen bisher unveränderten Pfeifen war dieser (eindeutig einen Ganzton gegenüber der heutigen musikalischen Praxis) zu hoch ermittelt worden. Die Geschichte des Instrumentes erzählte, dass dieser Zustand immer als ungenügend erlebt wurde und zu zahlreichen Umbauten und Veränderungen führte.  Auch um erneuten Veränderungen in der Zukunft vorzubeugen und um ein gut nutzbares Musikinstrument zu schaffen, wurden die rekonstruierten Pfeifen für die aktuell übliche  Stimmtonhöhe gebaut und historische Pfeifen mit originalen Pfeifenmündungen reversibel angelängt.

Von den zahlreichen Rekonstruktionsaspekten möchten wir hier stellvertretend das Metallpfeifenwerk erwähnen, welches in traditioneller Machart von Hand abgezogen hergestellt wurde. Die Innenpfeifen haben eine 6-lötige Legierung, die somit zwischen 35 und 40% Sn liegt. Die Prospektpfeifen sind 12-lötig, was einer Legierung von 75% Sn entspricht. Von den insgesamt 1388 Pfeifen waren 442 originale Pfeifen erhalten. Nach Jahrzehnten voller Entbehrungen steht jetzt erstmals wieder der volle Klangreichtum zur Verfügung.

Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten erklingt im Heimatort von Johann Caspar Beck wieder die größte und einzig bekannte zweimanualige Orgel dieses Orgelbauers.

So sind wir der Überzeugung, dass Ihre Orgel in den kommenden Jahrzehnten wieder eine besondere Wertschätzung erfahren wird. Nach den zurückliegenden Jahren einer fruchtbaren Zusammenarbeit ist es uns ein großes Bedürfnis, allen Beteiligten an diesem Projekt zu danken. Einschließen möchte ich hier auch unsere Mitarbeiter, die bei Ihrem Projekt wie so oft einen außergewöhnlichen Einsatz gezeigt haben. So dürfen wir Ihnen das Instrument übergeben mit dem Wunsch der Orgelrestauratoren, mit welchem auch J. S. Bach zahlreiche Kompositionen signierte: S.D.G (Soli Deo Gloria) – Alleine Gott zur Ehre.

 
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DISPOSITION

I. Manual – Hauptwerk C – c’’’

  1. Quintatön 16’
  2. Principal 8’
  3. Gemshorn 8’
  4. Viol da Gamba 8’
  5. Groß Gedackt 8’
  6. Flaut Traversie 8’
  7. Octav 4’
  8. Klein Gedackt 4’
  9. Quinta 3’
10. Tertia 1 1/2′
11. Mixtur 4f.2’

II. Manual – Oberwerk C – c’’’

12. Quintatön 8’
13. Musikalisch Gedackt 8’
14. Principal 4’
15. Flout 4’
16. Nachthorn 4’
17. Superoctav 2’
18. Flout 2’
19. Sesquialter 2f. 3’
20. Mixtur 3f. 2’
21. Hautbois 8’
Tremulant (Bocktremulant) 1/8 schlagend

Pedal C – c’

22. Subbass 16’
23. Violinenbass 16’
24. Octavenbass 8’
25. Posaunbass 16’

Manualkoppel (Schiebekoppel), Pedalkoppel, Windventil,

Winddruck 72 mm WS

Ursprünglich 3 Keilbälge 10‘ x 5‘,

Tonhöhe 443,6 Hz bei 15,8°C (auf D)