Würzburg, St. Peter und Paul, III/55 – Opus 440
4 Manualwerke in 3 Schwellwerken frei auf jedes der 3 Manuale zu legen...
Würzburg St. Peter und Paul, Orgelneubau 2017
Aus der Orgelvorstellung von Stefan Walter:
… die größte Herausforderung in Bezug auf Disposition, Konstruktion und Intonation war es, in St. Peter und Paul ein Instrument zu errichten, welches unter den schwierigen Vorgaben der Raumakustik zum einen den Gemeindegesang in der Liturgie gut führt und begleitet, zum anderen als Konzertinstrument besondere Akzente in der reichhaltigen Würzburger Orgellandschaft setzt.
Da die rückwärtige Orgelempore an der Brüstung durch die beiden Kirchtürme und das überspannende Tonnengewölbe begrenzt und eingeengt wird, kann der Klang nur vermindert in den Kirchenraum abstrahlen. Aus diesem Grund wurde das Orgelwerk nicht nur – wie bei den meisten Instrumenten üblich – auf der rückwärtigen Orgelempore erstellt, sondern auch auf den Seitenemporen errichtet. So befinden sich das Haupt-, Solo-, und Pedalwerk auf der Westempore über dem Hauptportal, ferner das Schwellwerk auf der Empore über dem nördlichen sowie das Positivwerk auf der Empore über dem südlichen Seitenschiff. Somit stehen sämtliche 55 Register der Dispositionsvorlage – auf fünf Teilwerke aufgeteilt – in vier Orgelgehäusen. Erst diese Verteilung des gesamten Orgelwerkes auf drei Standorte im Kirchenraum führt zu einem einheitlichen vollen Klangerlebnis.
Der Orgelprospekt
Der Orgelprospekt der beiden Orgelgehäuse auf der rückwärtigen Empore, die das Fenster der Westfassade über dem Hauptportal umrahmen, wurde von Diözesanbaumeister Cesare Augusto Stefano entworfen. Hierbei greift Stefano die im Kirchenraum vorhandenen Elemente der Architektur von Joseph Greising geschickt auf und setzt sie in zeitgenössischer Sprache elegant und stilvoll um. So spiegelt sich die weiche Linienführung der Stuckatur des Kirchenraumes in den sanft geschwungenen Formen des Prospektes wider und verleiht diesem dadurch Leichtigkeit und Eleganz.
Der jeweils auf der linken und rechten Seite durchgehende leicht geschwungene Zinnprospekt des Prinzipals wird unterbrochen durch ein beidseitig aufgesetztes hervortretendes ellipsenförmiges Pfeifenfeld, welches an ein Auge erinnert. Die Gegenbewegung in der Linienführung setzt hierbei im Prospekt einen besonderen Akzent.
Die Orgelgehäuse sind weiß gefasst, wirken elegant, licht und hell. Dieser Eindruck der Leichtigkeit und Transparenz wird ferner durch den Lichteinfall des – im Zuge der Innenrenovierung 2015/16 – an der Westfassade geöffneten Fensters noch verstärkt.
Die beiden Seitenwerke der Orgel sind nicht auf den ersten Blick ersichtlich, sondern können erst beim aufmerksamen Hinsehen entdeckt werden: So befinden sich die Register des Schwellwerks in einem – bewusst schlicht gehaltenen – weißen rechteckigen Gehäuse mit vorderseitigen Schwelljalousien ohne jede weitere Prospektgestaltung auf der nördlichen Seitenempore. Das baugleiche Gehäuse auf der gegenüberliegenden Südempore beinhaltet die Register des Positivwerks.
Der Spieltisch
Aufgrund der großen räumlichen Entfernungen zwischen den einzelnen Teilwerken des Instruments war eine mechanische Spiel- und Registertrakturführung nicht möglich. Daher fiel die Entscheidung für einen dreimanualigen elektrischen Spieltisch. Anschlusspunkte für diesen wurden auf der Westempore und der nördlichen Seitenempore vorgesehen. Aktuell wurde er auf der nördlichen Seitenempore neben dem Schwellwerk aufgestellt – was sich als äußerst günstig erweist, denn von diesem Platz aus kann der Organist sowohl den Gemeindegesang als auch die verschiedenen Teilwerke der Orgel gut abhören. Ferner erhält der Organist durch die Aufstellung des Spieltisches auf der nördlichen Seitenempore einen sehr guten Blickkontakt zum Dirigenten eines Chores, der auf der gegenüberliegenden Südempore neben dem Positivwerk einen geeigneten Aufstellungsort vorfindet.
Bei der Konzipierung des Orgelspieltisches wurden alle heute technisch möglichen Erneuerungen und Entwicklungen berücksichtigt und eingebaut: frei wählbare Belegung der Manuale am Spieltisch, Oktavkoppeln (die so genannten Sub- und Superkoppeln ergänzen jeden gespielten Ton oktavversetzt in der Höhe bzw. Tiefe), dynamische Koppeln (bei stärkerem Anschlag der Tasten koppeln die Manuale), Espressivo, Tastenfessel, Registerfessel, Registercrescendo, Midianschluss, frei erstellbare Einzeltonkoppeln, regulierbare Tremulanten, Glockenspiel auf allen Manualen vorbereitet, Variosetzer mit Touchpad, Fernwartung.
Die elektronischen Arbeiten am Spieltisch sowie die Programmierung des Setzers und der Einbau der vier Schaltschränke wurden von der Firma Laukhuff/Weikersheim ausgeführt. Die digitale Technik und die Verkabelung der Teilwerke der vier Orgelgehäuse mit dem Spieltisch ermöglichen es dem Organisten, Klangeinstellungen und Manualbelegungen abzuspeichern und via Touchpad oder Druckknöpfen in Sekundenschnelle abzurufen. Hinzu kommt das zurückhaltend elegante Design, wie bei Vleugels üblich, hier z. B. mit eigens entwickelten LED-Tastern. So vereint der Spieltisch handwerkliche Eleganz mit digitalem Hightech.
Die Disposition
Die Disposition des Instrumentes erlaubt die Interpretation der barocken Orgelliteratur ebenso wie die Darstellung symphonischer Werke der Romantik und zeitgenössische Orgelmusik. Den Klang der Register, der von den drei Emporen nach unten ins Kirchenschiff dringt, nimmt der Zuhörer als einheitliches und volles Klangerlebnis wahr.
Das klangliche Fundament der Orgel bildet hierbei der Prinzipal Petersbass 16’ im Prospekt sowie das Zungenregister Tuba 32‘. Das Pedalregister Untersatz 10 2/3‘ ermöglicht in Kombination mit einem labialen Pedalregister 16’ ein weiteres akustisches 32’ Register. Die vier Zungenstimmen des Solowerkes (Tuba 32‘, Posaune 16‘, Trompete 8‘ und Clarine 4‘) sind auf allen Manualen und im Pedal frei zuschaltbar. Ergänzt wird der Zungenchor durch Basson 16‘ (Fagott), Hautbois 8‘ (Oboe) und Clarinette 8‘ (durchschlagend) im Schwellwerk sowie Cromorne 8’ und Schalmey 4‘ im Positiv. Den Flöten und gedeckten Registern im Hauptwerk (Bourdun 16‘, Rohrflöte 8‘, Blockflöte 4‘) stehen im Schwellwerk Portunal 16‘, Portunalflöte 8‘ und Flauto 4‘ gegenüber. Im Positiv sind neben der Gedecktflöte 8‘ und der Holzflöte 4‘ die überblasenden Flöten Flute harmonique 8‘, Flute traversiere 4‘ und Flute octaviante 2‘ von besonderem Reiz. Neben den in allen Teilwerken vorhandenen Streichern in 8‘ Lage sind es vor allem die beiden Schwebungen auf den Seitenemporen (Vox aquilini 8’ im Schwellwerk und Vox coelestis 8‘ im Positiv), die sphärische Klänge erzeugen. Ein zerlegtes Cornet ist in Haupt-, Schwell- und Positivwerk disponiert. Die Klangkrone Mixtur 4fach 1 1/3 im Hauptwerk setzt sich deutlich vom tieferen Plein Jeu 4fach 2‘ im Schwellwerk ab. Jedes Teilwerk lässt sich durch Sub- und Superkoppeln in den tiefen und hohen Lagen erweitern, die dem Instrument bei einer ausreichend disponierten Windversorgung besondere Kraft und Gravität verleihen. Das Pianospiel ist ebenso wirkungsvoll möglich, da alle Register – mit Ausnahme der Prospektpfeifen und der Solozungen – in schwellbaren Orgelgehäusen stehen. Die drei frei regulierbaren Tremulanten verleihen den vielen möglichen Soloregistrierungen einen besonderen Charme.
…
Die neue Vleugels-Orgel – Soli Deo Gloria
Die neue Vleugels-Orgel in St. Peter und Paul ist der gelungene Abschluss der Gesamtrenovation der Kirche. Auf den ersten Blick bietet sich dem Betrachter ein harmonischer, geschickt in den Raum integrierter Orgelprospekt auf der rückwärtigen Westempore, der in moderner Sprache die Architekturelemente von Greising aufgreift, jedoch Eigenständigkeit bewahrt und einen eigenen besonderen Akzent setzt. Die beiden Seitenwerke entdeckt nur der aufmerksame Beobachter. Beim ersten Hören bewundert man die Kraft und impressionistische Farbigkeit des Instrumentes, welche sich gleichsam von drei Seiten auf den Kirchenbesucher herabsenkt.
Domkapitular Dr. Jürgen Vorndran kennzeichnete diesen Klangeindruck in seiner Festpredigt treffend mit folgenden Worten: „In einer perfekten barocken Klangillusion umspielt uns die neue Orgel von allen Seiten und erfüllt das Gotteshaus mit Lobgesang“.
Somit spielt die neue Vleugels-Orgel – wie auf jedem Instrument der Firma Vleugels auf der obersten Taste des ersten Manuals eingraviert – „S.D.G.“ (Soli Deo Gloria): „Allein Gott sei die Ehre!“
Stefan Walter
Stadtkantor der Würzburger Innenstadt
stv. Diözesanmusikdirektor
DISPOSITION
Hauptwerk C-a‘‘‘ Teilweise als SW auf der Westempore
1. Praestant (nicht schwellbar) 16’
2. Bourdon 16‘
3. Principal (nicht schwellbar) 8‘
4. Rohrflöte 8‘
5. Viola da Gamba 8‘
6. Octave 4‘
7. Blockflöte 4‘
8. Quinte 2 2/3‘
9. Doublette 2‘
10. Terz 1 3/5‘
11. Larigot 1 1/3’
12. Mixtur 4f. 1 1/3’
13. Cornet 5f. (Reg. Schaltung) 8‘
14. Tuba (nicht schwellbar) 32’
15. Posaune (nicht schwellbar) 16’
16. Trompete (nicht schwellbar) 8’
17. Clarine (nicht schwellbar) 4’
Recit C-a‘‘‘ als SW auf der Nordempore
18. Portunal 16’
19. Hornprincipal 8’
20. Portunalflöte 8’
21. Salicional 8’
22. Vox aquilini (schweb.) 8’
23. Geigenprincipal 4’
24. Flauto 4’
25. Nasard 2 2/3’
26. Flageolet 2’
27. Terz 1 3/5’
28. Plein Jeu 4f. 2’
29. Basson 16’
30. Hautbois 8’
31. Clarinette (durchschl.) 8’
Tremulant regulierbar
Positiv C-a’’’ als SW auf der Südempore
32. Gedecktflöte 8’
33. Flute Harm. 8’
34. Gambe 8’
35. Vox coelestis (schweb.) 8’
36. Viola 4’
37. Holzflöte 4’
38. Flute Trav. 4’
39. Flute Oct. 2’
40. Hörnchen 2f. 2 2/3’ + 1 3/5’
41. Cromorne 8’
42. Schalmey 4’
Tremulant regulierbar
Pedal C-f’ auf der Westempore
43. Petersbass 16’
44. Subbass 16’
45. Bourdon (aus HW) 16’
46. Portunal (aus Recit) 16’
47. Untersatz 10 2/3‘
48. Octavbass 8‘
49. Cello 8‘
50. Gedecktbass 8‘
51. Choralbass 4‘
52. Tuba (aus HW) 32‘
53. Posaune (aus HW) 16‘
54. Trompete (aus HW) 8‘
55. Clarine (aus HW) 4‘
56. Glockenspiel (auf allen Werken spielbar)
Freie Manualzuordnung möglich
4 Pedalkoppeln, Sub- und Superkoppeln
5-6 Dynamikkoppeln: II-I, III-I, III-II, Sub I, Super I, Positiv p-ff
Registercrescendo (mit Tastencrescendo: Positiv p-ff s.o.)
Freistehender fahrbarer Spieltisch auf der Westempore mit rein elektrischen Trakturen
3 Schwellwerke, 4 Gehäuse (2 Prospektfassaden), 3 Orgelgebläse
An allen drei Orgelstandorten wird eine Midiverbindung zum Anschluss eines Keyboards vorgesehen
Mit Pedalteilung C-H, ab c° Koppeln aus Manual, Hauptwerk mit Aufteilung in Grund- und
Soloregister
Freie Registerwippen, Espressivo Traktursystem, Variosetzer
Teilweise werden historische Register und zahlreiche Transmissionen/Oktavverlängerungen verwendet